Buchladen-Flaute

Von André Störr
29 Mar, 2020

In der Krise beweist sich der Charakter, meinte einst Helmut Schmidt. In der Krise beweist sich aber noch viel mehr. So lehrt uns die Corona-Virus-Krise derzeit, wie schnell wir bereit oder gezwungen sind, auf Dinge, die wir noch vor Tagen für selbstverständlich, für unangreifbar, ja für vom Grundgesetz geschützt angesehen haben, zu verzichten.

„Ausgangssperre“ ist ein Wort, das wieder in den Sprachgebrauch zurückgekehrt ist und von der großen Mehrheit der Bevölkerung begrüßt, wenn nicht gefordert wird.

Und die Schließung des Einzelhandels ist eine Maßnahme, die nun aber wirklich alternativlos ist. Na ja, der ganze Einzelhandel ist natürlich nicht geschlossen. Lebensmittelgeschäfte bleiben geöffnet, Apotheken auch. Auch Bäckereigeschäfte. Und Metzgereien. Und Baumärkte. Und Gartenmärkte. 

Auch Zigarettenläden bleiben offen, was in Zeiten des Corona-Virus und all der Verbote zum Schutze der Gesundheit einer gewissen Ironie nicht entbehrt bei jährlich 100.000 Toten durch Rauchen. „Willen braucht es und Zigaretten“ (Helmut Schmidt).

In Baden-Württemberg bleibt der Wein- und Spirituosenverkauf am Produktionsort erlaubt.

In Mecklenburg und Vorpommern können Blumen weiterhin gekauft werden, damit das Heim, das wir jetzt so viele Stunden ertragen müssen, ein wenig verschönert werden kann. Auch in Thüringen bleiben Blumenläden offen. 

Und Buchläden? Bleiben in Thüringen geschlossen, in Mecklenburg-Vorpommern auch, ebenso in fast allen anderen Bundesländern. Fast 6.000 Läden.

In fast allen anderen, denn in Berlin und Sachsen-Anhalt müssen Buchhandlungen nicht schließen. O, Ihr glücklichen Berliner und Sachsen-Anhaltiner, die Ihr in den vielen Stunden zu Hause nicht nur das lesen könnt, was Ihr im Regal stehen und schon gelesen habt.

Was genau macht eigentlich Bücher in der Krise so gefährlich, dass sie - anders als Schnaps, Zigaretten, Tapete, Fliesen, Schleifmaschinen, Gartenmöbel oder Blumen - nicht mehr im Laden verkauft werden dürfen, auch nicht „to go“, wie Speiseeis (fast überall) und Bratwurst (in Thüringen)? 

Wohl an, Ihr neuen Allgemeinverfügenden und Verbotserlassenden: Öffnet die Buchläden! Gebt uns Lesestoff im Stubenarrest, bevor wir alle vorm Bildschirm verblöden.